„Zoo City“ von Lauren Beukes

deep read_Zoo CitySpätestens seit meiner Costa Rica-Reise letztes Jahr weiß ich ja: Faultiere sind die tollsten Tiere der Welt! Aber die ganze Zeit eins mit sich rumschleppen? Oh no. Ex-Journalistin und Ex-Junkie Zinzi December im urbanen Fantasy-Krimi Zoo City bleibt gar keine andere Wahl. Denn sie ist eine Getierte. Wie bei jedem Menschen, der ein schweres Verbrechen begangen hat, taucht wie aus dem Nichts ein Geistertier auf, dass sie fortan wie ein „Schuldig“-Banner begleitet. In ihrem Fall eben ein Faultier. Aber jedes Tier bringt seinem Besitzer auch eine Gabe. Bei Zinzi ist es die Fähigkeit, Verlorenes wiederzufinden.

Und so hält sich die junge schwarze Frau mit Suchaufträgen wie verlegten Schlüsseln oder Liebesbriefen über Wasser. Ihre Flyer hängt sie an Anzeigentafeln zwischen Putzinseraten und Wunderheilungsversprechen in ganz Hillbrow auf, dem Johannesburger Hochhausslum, das auch Zoo City genannt wird, weil hier neben Prostituierten, Junkies und Illegalen auch alle Getierten, kurz Zoos, der Stadt wohnen. Normalerweise lautet Zinzis Arbeitsdevise: Kein Aufspüren von Drogen, Waffen oder Personen. Aber sie hat immer noch horrende Schulden aus ihrer Drogenzeit. Deshalb lässt sie sich darauf ein, für einen mächtigen Musikproduzenten und Nachtclubbesitzer sein jüngstes Pop-Sternchen in den Straßen von Johannesburg aufzuspüren. Bis Zinzi selbst zur Gejagten wird.

Die Idee von den Getierten mag ziemlich irre klingen, aber ist sie nicht cool, oder was? Außerdem fügen sich die Fantasy-Elemente erstaunlich unprätentiös in dieses ansonsten recht realistisch anmutende hard-boiled Szenario. Auch hier müssen sich die Menschen erst an den Gedanken von „aposymbiontischen Individuen“ wie das Phänomen wissenschaftlich bezeichnet wird gewöhnen, das erstmals in den 1990ern auftaucht. „Die Welt, wie wir sie kennen, ist ein ganz, ganz zerbrechliches Gebilde. Es braucht nur einmal ein afghanischer Kriegsherr mit einem Pinguin in kugelsicherer Weste aufzutauchen, und alles, woran Wissenschaft und Religion bis dahin geglaubt haben, wandert direktemang in den Müll.“ Und man kann einfach nur wiederholen, dass dieses Getierten-Ding einen ganz eigenen Reiz hat, den Beukes auch immer wieder genüsslich auskostet, z.B. wenn die fiesesten Gangster eben einen süßen Pinguin an ihrer Seite haben statt eines Pumas oder so.

Trotzdem nimmt die Story nicht richtig an Fahrt auf. Sie liest sich eher wie der Auftakt zu einer Serie. Erst einmal muss man dem Leser erklären, wie diese Welt funktioniert, wie die Romanheldin tickt, die ihren eigenen Bruder im Drogenrausch erschossen hat und damit ihr Recht verwirkt hat, jemals wieder ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu werden, und nicht zuletzt ist es auch das Johannesburg-Setting mit seinen vielen Stadtteilen, in dem – zumindest ich – mich erstmal zurechtfinden musste. „Brixton ist zwar nicht ganz das neue Melville, aber seit dem House of Nsako und jetzt dem KonterRevolutionär hat sich ds Viertel definitiv gemausert“ – ach so? Naja, ein kleines Glossar mit den wichtigsten südafrikanischen Fremdwörtern wie Shavi (Geist) oder Makwerekwere (Ausländer) von Übersetzerin Judith Reker ist zumindest eine Hilfe.

Den Fall um das verschwundene Pop-Sternchen, den Zinzi als private Ermittlerin versucht aufzuklären, gerät jedenfalls bei allem Drumherum ganz schön in den Hintergrund. Dadurch zerfranst die Handlung etwas, entlädt sich aber zumindest in einem actiongeladenen Showdown, der mich am Ende mit dem Buch wieder versöhnt hat, weil viele Dinge, die ich vorher nicht so gecheckt habe, hier in anderem Licht erscheinen. Für mich ist dieses Debüt zwar nicht der große Wurf, da ausbaufähig, aber es hat seine starken Momente – und ein Faultier…

 …wer kann denen schon widerstehen?

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„Zoo City“ hat übrigens sogar seinen ganz eigenen offiziellen Soundtrack, der eine Mischung aus südafrikanischen Kwaito-Beats und Elektro bietet.

9 Kommentare zu “„Zoo City“ von Lauren Beukes

  1. Na ja… die Idee, den Menschen eine Art tierisches Totem an die Seite zu stellen ist ja wahrhaftig nicht neu in der Literatur… Schräg ist nur die Idee, ein x-beliebiges Tier zu wählen. Es würde doch mehr Sinn machen, dem Delinquenten eher ein Tier zu geben, dem man die ihm oder ihr fehlende Charaktereigenschaft nachsagt, oder so ähnlich. Und wieso trägt der Pinguin eine schusssichere Weste? 😯 Das ist doch eher cool, als lächerlich!
    Scheint mir arg aufgesetzt…
    Ich glaube, ich vergesse das mal lieber wieder alles ganz schnell und kümmere mich um meinen Beutelteufel… 😉
    Liebe Grüße von Stefan

    • Hihi, lieber Stefan, vielen Dank für deine ehrlichen Worte! Mmmmh, du hast ja schon recht, aber irgendwie auch wieder nicht 🙂 Die Tiere, die den Kriminellen hier aufgebürdet werden, sind ja kein Schutzgeister, sondern die hat man dann halt einfach an der Backe…und ist doch klar, warum der Pinguin eine schusssichere Weste trägt, oder? Damit er nicht in einem Kugelhagel getötet wird – denn stirbt das Tier, stirbt auch der Getierte. Das hätte ich auf jeden Fall noch erwähnen sollen! LG

      • Ach so… Weil Du schriebst „Geistertier“, habe ich gedacht, die seien nicht stofflich. 🙂
        Eine gegenseitige Verbindung auf „Gedeih und Verderb“ lässt das Ganze schon in einem anderen Licht erscheinen. Dann haben ja die Getierten eine – vermutlich unerwünschte – Verantwortung aufgehalst bekommen!
        Der Umschlag ist übrigens wirklich cool!

  2. Das Cover gefällt mir ausgesprochen gut — der Inhalt scheint für meinen Geschmack allerdings etwas zu abgedreht zu sein…

    • Hey Christoph, das Cover ist sogar preisgekrönt – von Nahem ist es sogar noch cooler, weil man die vielen kleinen Details erkennt, die auch alle etwas mit der Geschichte zu tun haben. LG

  3. Wo darf ich hier unterschreiben? 🙂 Mir erging es mit dem Buch genau wie Dir, das Faultier war mein heimlicher Star in dieser Story, obwohl ich die Figurenzeichnung überhaupt sehr gelungen fand. Aber ich fand mich ähnlich wie Du nur sehr schwer zurecht mit all Begriffen, die nicht im Glossar auftauchten, immer wieder tauchten Gegenden oder Persönlichkeiten auf, deren Erwähnung bei mir keine Bilder entstehen ließ. Und ich muss gestehen, ob nun Serienauftakt oder nicht, für mich hat die Autorin die Idee um das Erscheinen eines Tieres nicht ausreichend erklärt. Mag sein, dass das noch kommt, aber ich brauche das direkt zum Start. 🙂 Denn Schuld kann man in vielerlei Hinsicht auf sich laden. Kommt ein Tier wirklich nur bei Mord? Oder auch bei anderen Verbrechen? Denn ob Zinzi ihren Bruder wirklich ermordet hat, kam für mich nicht ganz heraus. Das hat mich am Ende doch recht unbefriedigt zurückgelassen, ich hätte gerne eine kleine Geschichtsrunde zu Beginn gehabt, glaube ich. 🙂 So kam mir das alles noch sehr unstet vor… Ich mochte zwar die einzelnen Elemente sehr, aber so richtig rund zusammengefügt hat sich das alles noch nicht, dafür waren es vielleicht zu viele Genre, die angeknabbert wurden. Aber nichtsdestotrotz, das Faultier rockt! 😀

    Viele liebe Grüße, Philly

    • Liebe Philly, da bin ich ja froh, dass es nicht nur mir so ging 🙂 Ich habe das mit der Serie nochmal recherchiert und „Moxyland“ scheint wohl doch keine Fortsetzung von „Zoo City“ zu sein, auch wenn die Cover sich ähnlich sehen. Deshalb habe ich diesen Hinweis aus meinem Text rausgetan…
      Mir hat es nicht so viel ausgemacht, dass das Erscheinen der Tiere nicht weiter erklärt wird – es gibt ja schon verschiedene Theorien, die im Buch erwähnt werden. Noch mehr Erklärungen hätten meiner Meinung nach noch mehr von der Detektivgeschichte abgelenkt.
      Der Beweis, dass Zinzi ihren Bruder erschossen hat, war für mich durch das Faultier erbracht. Aber auch ich dachte, hier würde man im Laufe der Geschichte mehr erfahren: Warum zum Beispiel ist Zinzis Ohr abgeschossen? Hatte ihr Bruder auch eine Waffe? Das sind nette Details, die aber wie du schon sagst nicht ganz zusammenpassen. Trotzdem habe ich mich beim Lesen prächtig unterhalten gefühlt 🙂 Herzlich, Karo

      • Ah, alles klar, danke für die Info! Stimmt, jetzt sehe ich auch, dass Moxyland schon vor Zoo City veröffentlicht wurde. Aber auf den ersten Blick hätte ich auch gedacht, dass es eine Fortsetzung sein müsste! Wenn es also keine Serie wird, dann muss ich erst recht sagen, dass mir persönlich zu wenig auf die Hintergründe zu den Tieren eingegangen wurde. 🙂 Das richtige Gleichgewicht zwischen Fantasy und Krimi war irgendwie noch nicht da. Obwohl ich den Noir-Einschlag schon klasse fand! 🙂

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