„Stand up“ von Julia Korbik

deep read_Stand upSo erlebte Situation: Das Buch Stand up – Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene von Julia Korbik liegt auf meinem Schreibtisch und den Rest des Tages darf ich mir von dem Mann, den ich eigentlich liebe, Sprüche drücken lassen wie „Na, meine kleine Feministin, machst du Feministinnen-Kram mit deinen Feministinnen-Freundinnen?“ Und die Redakteurin, der man das Buch fürs Radio vorschlägt, mailt zurück: „Ich habe auch was gegen Feministinnen, aber mach ma‘ ruhig!“ Was ist das eigentlich für ein Problem, das die meisten – also praktisch alle – mit dem Feminismus haben? Genau diese Frage stellt sich auch Julia Korbik und hat meiner Meinung nach ein Buch geschrieben, dass sich auch prima für alle Hater eignet.

Vorab muss erwähnt werden, dass das Ding unglaublich toll gestaltet ist – ja, nicht nur Frauen sollen gut aussehen, auch Bücher! Böse Zungen würden behaupten, es sieht hipstermäßig aus – viel Neonorange, Apex-Schrift, geometrische Muster, Streetstyle-Illustrationen inkl. angesagter Stickoptik. Alles schön luftig gesetzt, aufgeräumt, zum Blättern einladend. Schon allein optisch macht es also Spaß, ist zeitgeistig und hat nix piefig-wissenschaftliches.

Auch von der Herangehensweise beschreitet die 26-jährige Julia neue Pfade: Im lockeren Plauschstil erklärt sie Begriffe wie Sexismus oder Intersektionalität (okay, dieser ganze Theorie-Teil ist für alle, die sich ein bisschen auskennen, kalter Kaffee), vor allem macht sie aber zwei Dinge richtig. Erstens, sie spricht über sich selbst, sehr nahbar, sehr alltagsbezogen. Wie sie von ihren Eltern im Kindergarten nur „Prinzessin Rosa“ genannt werden wollte, wie ihr manchmal mulmig zumute ist, wenn sie nachts allein durch die Straßen läuft oder wie es sie ärgert, wenn ein Kumpel im Kino fragt: „Sag mal, interessiert dich dieser Actionfilm überhaupt oder bist du nur wegen deinem Freund hier?“ Situationen, die vermutlich jede(r) kennt und sich schonmal drüber aufgeregt hat. Schubladendenken olé!

Das zweite, was Julia Korbik richtig macht, ist den Bezug zum Jahr 2014 herzustellen und damit die junge Zielgruppe dort abzuholen, wo sie steht. „Stand up“ mag bereits in fünf Jahren nicht mehr up to date sein, aber heute versammeln sich in diesem Kompendium alle Ikonen der feministischen Popkultur hier und diesseits des Atlantiks, die man genau jetzt (!) kennen muss. Nee, nicht die nackigen Femen-Aktivistinnen, sondern von Rookie-Gründerin Tavi Gevinson über Bloggerin Teresa Bücker bis hin zu Lena Dunham, die es dieses Jahr auch ohne Modelmaße (wenn auch mit viel Retusche, aber hey) auf die US-Vogue geschafft hat. Alles Frauen, die schwer angesagt sind, und sich öffentlich als Feministinnen bezeichnen. Mit BH-Verbrennen und lila Latzhosen hat das nichts mehr zutun. Außerdem gibt das Buch weiterführende Tipps zu TV-Serien, Romanen, Filmen, Dokus, Websites, die wie ein Türöffner in den modernen Feminismus-Kosmos wirken. Das alles auf einer spielerischen Ebene, aber auch immer mit der klaren Ansage: Hey, das ist was Politisches, das uns ALLE angeht!

Denn solange Frauen im Schnitt 22 Prozent weniger verdienen als Männer, solange Frauen sich zwischen Kind und Karriere entscheiden müssen, solange Frauen, die gern flirten und Minirock tragen, als „Schlampen“ beschimpft werden oder Romane von Autorinnen als „Frauenliteratur“ bezeichnet werden, ist was nicht in Ordnung. Da kann man als Frau noch so selbstbewusst und emanzipiert daher kommen, solange in Politik und Gesellschaft bestimmte Regeln gelten, wie Frauen bitte schön zu sein haben, kann man sich der Ungleichheit nicht entziehen. Auch nicht mit Ironie oder einem Schulterzucken.

Wir sind aber doch im Grunde alle für Gleichberechtigung, oder? Warum outen wir uns dann so ungern als Feministen? Julia Korbik will in „Stand up“ niemanden belehren oder bekehren, sie will was klarstellen. „Feministin zu sein bedeutet nicht, dass du dich ändern musst. Im Gegenteil: Er erlaubt dir, du selbst zu sein!“, schreibt sie. Egal, ob man gern mädchenhafte Kleidchen trägt, an Autos rumschraubt oder whatever. Klar, so ganz ohne Klischees kommt auch ein Buch wie „Stand up“ nicht aus. Wenn auf der Rückseite steht „ein Wegweiser auch für harte Jungs“ darf man sich schon fragen: Bedient das jetzt nicht auch wieder ein Geschlechterstereotyp von dem doch eigentlich abgerückt werden soll?

Ich persönlich glaube ja, dass gerade in einer oberflächlichen und orientierungslosen Gesellschaft wie heute, Feminismus wieder wichtiger wird. Gerade für junge Mädchen, deren Vorbilder sich auf Heidi Klum oder andere plastikhafte Überfrauen beschränken und die in ihrer rosa Liliyfee-Welt leben. Solltet ihr also eine Nichte, Patenkind, Tochter im Teenageralter haben, schenkt ihr doch bitte „Stand up“. Das ist eine Investition in die Zukunft.

 

 

18 Kommentare zu “„Stand up“ von Julia Korbik

  1. Liebe Karo,
    nun möchte ich mir als Mann nicht anmassen, ein Feminist zu sein – das tun sowieso schon zu viele Männer, insbesondere Politiker – aber trotzdem darf ich sagen, dass mir Dein letzter Absatz aus der Seele spricht. Wenn Du schreibst „Ich persönlich glaube ja, dass gerade in einer oberflächlichen und orientierungslosen Gesellschaft wie heute, Feminismus wieder wichtiger wird. … “ fallen mir genau diese seltsamen gesellschaftlichen Entwicklungen ein, die Du im Anschluss schilderst. Und es fallen mir viele meiner Studentinnen ein, die ganz offensichtlich weltbildtechnisch eher zurück in die 70er oder gar 60er gehen (und ich meine jetzt nicht die sog. 68er). Ich finde das frustrierend und habe seit einigen Jahren schon das Gefühl, wir befinden uns, was die wirkliche Gleichstellung betrifft, was die Frauen-Emanzipation betrifft, eindeutig auf dem Rück- oder besser Holzweg. Als ob Alice Schwarzer immer schon bloß für Steuerhinterziehung bekannt gewesen wäre, als ob es Simone de Beauvoirs Buch ‚Das andere Geschlecht‘ gar nicht gegeben hätte, als ob Betty Friedan und Kate Millen nie da gewesen wären. Ich finde das grauenhaft und traurig. Es ist sowas wie eine umgekehrte Evolution.
    Deshalb finde ich auch dieses besprochene Buch, wenn es denn so ist, wie Du es beschreibst, richtig gut. Übrigens das Cover: ich finde es ziemlich scheußlich, aber es sagt durchaus was aus, denn es gibt da ein paar kräftige lila Kleckse, die stehen vielleicht für den kraftvollen, streitbaren Feminismus der 60er bis 80er Jahre, und drumrum ist alles in niedlich-schweinchenrosa. So ist es heute. Naja,, vielleicht ist es ja ganz anders gemeint, aber so konnte ich mir dieses extrem scheußliche Cover wenigstens noch ein bisschen schön reden… Anyway, ich hoffe,das Buch findet viele Leserinnen, denn am Ende hängt es von den Frauen ab, was sie sich gefallen lassen bzw. in welche gesellschaftliche Ecke sie sich drängen lassen oder selber drängen. Unsere immer-noch-Männergesellschaft wird ihnen nicht freiwillig entgegenkommen.
    Liebe Grüße, Kai

    • Lieber Kai, es ist genau diese Rückentwicklung, die mir richtig gehend Angst macht. Frauen, die sich selbst zu „Frauchen“ degradieren. Ich glaube, dafür sind hauptsächlich zwei Dinge verantwortlich: Erstens, eine immer wachsende Industrie, die damit Milliarden verdient, Frauen tagtäglich zu suggerieren, sie müssten shoppen, waxen, färben, diäten, schminken, optimieren, sodass tatsächlich nicht mehr viel Zeit bleibt, um sich anderen wichtigen Dingen zu widmen (schon Schülerinnen verbringen morgens zwei Stunden fürs Styling im Bad und sind dann später im Unterricht müde und unkonzentriert). Zweitens bedeutet Freiheit und Gleichberechtigung auch Arbeit und Anstrengung. Wer auf eigenen Beinen stehen und sein eigenes Geld verdienen will, der ist Existenzängsten, Belastungen, Leistungsdruck etc. ausgesetzt. Viele Frauen flüchten sich dann lieber zurück in die bequeme Rolle der Hausfrau und Mutter. Ich will nicht sagen, dass das kein weniger anstrengender Job ist, aber man ist weniger der Konkurrenz und Willkür des Arbeitsmarktes ausgesetzt. Zumindest empfinde ich es so, dass man als Frau im Job sogar häufiger mehr leisten muss als Männer. Das schreckt viele Frauen ab, anstatt selber dazu beizutragen, dass sich das langsam verändert, indem wir einfach Präsenz auf dem Arbeitsmarkt – oder wie du schreibst in der immer-noch-Männergesellschaft – zeigen und Forderungen stellen.
      Die lila Kleckse auf dem Cover sind mir übrigens gar nicht aufgefallen 🙂 Im Innenteil ist aber alles orange, von daher steckt, glaub ich, keine tiefere Absicht dahinter. Ich denke, schön bunt und auffällig macht auf jeden Fall neugierig – hoffe ich 😉 Herzlich, Karo

      • Liebe Karo,
        da kann ich nur jedem Satz zustimmen – und es stimmt mich ziemlich traurig und wütend, ehrlich gesagt. Ich weiß bloß nicht, auf wen man da wütend sein soll, auf ‚Die Gesellschaft‘, auf die allgemeine Verblödung, auf die ganzen Brigitte- und wie sie alle heißen-Zeitschriften, auf die Frauen, auf die Männer? Ich kann nur sagen, Frauen, geht wieder auf die Barrikaden, wir haben es noch immer nicht kapiert.
        Das mit den Cover kam mir so, als ich es mir näher angeschaut habe, aber wahrscheinlich hast Du recht und es soll einfach nur auffallen. Und das soll es ja auch.
        Liebe Grüsse, Kai

  2. Ich finde es total wichtig, dass du darüber schreibst. Feminismus hat einen schlechten Ruf, wie vieles, das mit dem Weiblichen zu tun hat (du wirfst ja wie ein Mädchen, du bist aber dämlich …) quasi eine zunehmende Abwertung. Ich persönlich finde, dass Emanzipation etwas mit Aufklärung zu tun hat: Man muss sich typischer gesellschaftlicher Strukturen bewusst werden und kann somit in einem guten gewissen Entscheidungen treffen. Die meisten Menschen (ob Männer oder Frauen) bemerken gar nicht, dass sie in diesen vorgegeben Strukturen festhängen. Und dann glauben sie sich cool, wenn sie sich an der Änderung der Österreichischen Bundeshymne aufhängen, weil „es hat immer schon Heimat bist du großer Söhne geheißen und auch ich als Frau fühle mich da inkludiert“. Fakt ist, wenn ich eine Tochter habe, nenne ich sie auch nicht „mein Sohn“. Punkt, aus. Frau ist nicht inkludiert. Und ich hoffe, zu dem Zeitpunkt, wenn ich Töchter aufziehe, werden sie nicht länger „wie Mädchen werfen“, sondern wie Mädchen werfen und damit ein Match gewinnen. Alles Liebe!

    • Danke, Katharina, für deinen Zuspruch! Es tut gut zu hören, dass man nicht allein ist 🙂 Ich denke auch, ein Bewusstsein für geschlechtliche Diskriminierung kann man nur schaffen, indem man darüber spricht. Das sieht man ja auch an deinem Beispiel mit der österreichischen Nationalhymne – viele Frauen denken gar nicht darüber nach, dass sie ausgeschlossen werden, weil sie diese Rolle schon verinnerlicht haben und sich dann die Wahrheit zurechtbiegen. Die Frage ist natürlich, ob die Message der Frauenbewegung dort ankommt, wo sie soll – wer sonst nicht viel liest, sich gern bildet oder informiert, der wird auch nicht zu einem Buch über Feminismus greifen. Was es braucht sind Vorbilder aus dem echten Leben – und da können wir ja mit gutem Beispiel einfach mal vorangehen 😉 Lg, Karo

      • Absolut! Oft sind es die kleinen Dinge, die Bewusstsein schaffen! (und langatmige Vorträge helfen in Österreich ohnehin selten, das dürfte etwas Kulturelles sein 😉 haha) Alles Liebe!

  3. ABSOLUT wichtig!!! Das Buch hab ich auch auf meiner Wunschliste stehen. Was der Feminismus braucht ist ein neues gescheites Image…die Denke immer noch alle an die 60iger und 70iger wenn der Begriff erwähnt wird – echt übel…als wäre 40 Jahre lang nix passiert…aber es ist auch zuwenig passiert und diese Blindheit heute zum Thema Gelichberechtigung ist echt so krass. Kinder Küche DIY hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Wie immer in schlechten zeiten, die aber gar nicht so schlecht sind für uns in Deutschalnd…da zieht man sich zurück in die Familien. Und davon gibts noch genug, wenn nicht in echt dann im Netz. Und schon weiß keiner mehr was Politik eigentlich ist, solange es noch ganz gut geht eben…und außer es betrifft.. WIR brauchen Stimmen in LAUT. GO sag ich da nur. Vollzeitfeministin (nach eigenem Gusto) Madame Flamusse (Ps.: Vielleicht gibts auch zuviele FeministenInnen die zuviel Korinthenkacken und deshalb das Image versauen). Lieben Gruß

    • Liebe Mme Flamusse, vielleicht brauchen wir ja ein anderes Wort als Feminismus? Es scheint dem Begriff etwas Altbackenes, Vergangenes anzuhaften. Wir kämpfen ja auch im Jahr 2014 nicht mehr dafür, wählen, arbeiten oder abtreiben zu dürfen. Wobei ich solche
      Modernisierungsversuchen wie „Hashtag-Feminismus“ oder „Feminismus mit Titten“ absolut gruselig finde. Vielleicht braucht die jüngere Generation ein ganz neues Wort, um sich neu zu erfinden? Ich weiß es nicht. Aber ich finde es auch traurig, dass Frauen, die sich für „Kinder, Küche, DIY“ entscheiden, es für selbstverständlich erachten, dass sie überhaupt eine Wahl haben. Unsere Mütter mussten sich noch das Einverständnis ihrer Ehemänner einholen, um arbeiten zu dürfen. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen. Ein bisschen mehr Dankbarkeit für die Errungenschaften der 68er-Feministinnen wäre also angebracht! Herzlich, Karo

      • Ja, finde ich auch. Also mit der Dankbarkeit. und eben das das Bewußtsein dafür fehlt und eben auch das für die eigenen freien Möglichkeiten.
        Liebe Grüße 🙂

  4. Leute die was gegen Feminismus haben?! Gehts noch???
    Vor allem in Zeiten wenn Mädchen entweder Popstar oder Supermodel werden wollen! Ich geh gleich auf die Terrasse und verbrenne meinen BH (hab bestimmt noch einen über, der nicht mehr passt!).
    Vielleicht sollte man das Wort „Feminismus“ ersetzen durch „Gleichberechtigung“! Wenn dann noch jemand was dagegen sagt lass ich Frau Schwarzer von der Leine … und die hat heute noch nicht gefrühstückt!

  5. Liebe Karo,
    danke für den unglaublich guten Buchtipp.

    Ich verstehe ja auch nicht so ganz, warum man nicht feministisch sein darf. Man wird von jedem belächelt und nicht ernst genommen. Hardcore-Feministinnen lächeln, weil man nicht feministisch genug ist; die Männer belächeln einem, als sei man zu lange in der Sonne gewesen und andere Frauen, v.a. meiner Erfahrung nach diejenigen, die sich immer beschweren, wie benachteiligt wir doch seien oder es wirklich regelmäßig in ihrem Umfeld zu spüren bekommen, sehen einen mit einem ungläubigen Lächeln an und verfallen in merkwürdiges Schweigen…

    Ich werde mir das Buch auf jeden Fall besorgen.
    Liebe Grüße,
    B.ee

  6. Da das Buch nun endlich auch in „meiner“ Bücherei angekommen ist, habe ich es mir gleich ausgeliehen. Entdeckt habe ich es aber letztens hier auf deinem Blog. Ich bin total begeistert und schmökere heute schon den ganzen Tag darin herum. Es ist toll gestaltet und überhaupt nicht langweilig. Die Texte sind gerade lang genug um genug Infos zu liefern, ohne mich gleichzeitig einzuschläfern. 🙂
    Deine schöne Rezi hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dieses Buch auszuleihen. Viele Grüße, Corinna

    • Liebe Corinna, es ist absolut großartig und motivierend zu lesen, dass ich dich mit meiner Buchbesprechung in Richtung „Stand up“ stupsen konnte 🙂 Vielen, vielen Dank, dass du das nicht für dich behalten hast, sondern diesen Kommentar hier gelassen hast ❤

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