Zwei Buchtipps zum Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2016

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Dieses Jahr stehen Flandern und die Niederlande auf der Special-Guest-Liste der Frankfurter Buchmesse. Allerhöchste Eisenbahn, mal Literatur von dort kennenzulernen. Denn Holland ist nicht nur „die geilste Stadt der Welt“ – was wir Menschen nah an der geographischen Grenze ja längst wissen – sondern hat auch büchertechnisch einiges zu bieten. Eine niederländische Newcomerin und eine etablierte flämische Stimme haben es mir diesen Sommer besonders angetan. Es folgen zwei uneingeschränkte Leseempfehlungen, die – so weit würde ich gehen – garantiert was für jeden sind!


deep-read_die-konsequenzenNiña Weijers: Die Konsequenzen. Suhrkamp. übersetzt von Helga von Beuningen. 359 Seiten.

Es gibt diese Romane, die immer besser werden, je länger man sie liest. Das Debüt von Niña Weijers ist so ein Roman. Im Prolog wagt sich die junge Künstlerin Minnie Panis auf einen zugefrorenem See und droht durch das dünne Eis zu brechen  – was sie zu dieser lebensmüden Aktion antreibt, das offenbart sich Seite für Seite und wirft dabei zugleich immer neue Fragen auf. Das größte und faszinierendste Rätsel bleibt jedoch die Hauptfigur selbst. Minnie ist eine gefeierte Künstlerin, die durch den Satz berühmt wird, sie sei gar keine Künstlerin – darauf fährt die Öffentlichkeit natürlich voll ab. Der Witz ist aber, dass ihre Werke tatsächlich mehr durch Zufall entstehen, nämlich immer dann, wenn Minnie eine persönliche Krise durchlebt. So auch ihr aktuelles Performance-Projekt. Denn als der Modefotograf, mit dem Minnie eine Affäre hat, heimlich intime Aufnahmen von ihr verbreitet, dreht Minnie den Spieß kurzerhand um: Sie engagiert den Mann, damit er sie über mehrere Wochen beschattet und fotografiert. Einzige Bedingung: Er darf unter keinen Umständen in egal welche Situation eingreifen. „Die Konsequenzen“ ist ein Roman über Kunst, Leben und Identität, der alle Genre-Grenzen sprengt und mit immer neuen sonderbaren Überraschungen aufwartet. Hinter jeder Tür verbirgt sich in dieser doppelbödigen Geschichte noch eine weitere – bis man sich fragt, ob Minnie Panis überhaupt von dieser Welt ist.


deep-read_straus-parkP.B. Gronda: Straus Park. Luchterhand. übersetzt von Marlene Müller-Haas. 320 Seiten.

Der Straus Park gehört zu den piekfeinen Adressen von Upper Manhattan NY, die sich nicht jeder leisten kann. Hier lebt Amos Grossmann allein in einer Wohnung, die seinen verstorbenen Eltern gehörte und die mehr einem Kunstmuseum gleicht. Die Grossmanns waren millionenschwere Kunsthändler, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sind. Weshalb Amos sich auch als „reicher Erbe wie Bruce Wayne nur ohne das Batmansuperheldengetue“ bezeichnet, wobei reicher, gelangweilter Schnösel wohl die passendere Bezeichnung wäre. Amos lässt sich ziellos treiben, von Frau zu Frau, denn Beziehungen sind sein einziger Zeitvertreib. Dabei ist er mehr an dem Zustand des Verliebtseins als an wahrer Liebe interessiert. Bis er Julie kennenlernt. Die Studentin schreibt eine Forschungsarbeit über Kunstwerke, die ihren Weg aus Europa in die USA gefunden haben – eben wie die Gemälde, die in der Wohnung der Grossmanns am Straus Park hängen. Die zwei kommen sich schnell näher, doch Julie verbirgt etwas vor Amos, das ihre Verbindung unmöglich macht. „Straus Park“ besticht durch eine brillant durchdachte Dramaturgie, sodass man das Buch bis zu seinem bittersüßen Ende kaum aus der Hand legen kann. Vor allem hat dieser Roman aber Klasse und Stil – Grondas Sprache ist voll kühlem Witz und elegantem Sexappeal.

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