„Makarionissi oder die Insel der Seligen“ von Vea Kaiser

deep read_MakarionissiMit 23 Jahren haben andere Studenten gerade mal ihre erste Hausarbeit geschrieben. Vea Kaiser hatte da bereits ihren ersten Roman Blasmusikpop fertig, der 2012 von Kritikern und Lesern gleichermaßen euphorisch gefeiert wurde. Jetzt legt die Österreicherin mit Makarionissi oder die Insel der Seligen nach – wieder eine rasante Familiensaga, die ihren Ausgangspunkt in einem abgelegenen Bergdorf nimmt. Billige Kopie also? Keineswegs. Es ist wohl eher so, das diejenigen, die bereits an „Blasmusikpop“ ihre helle Freude hatten, auch hier wieder auf ihre Kosten kommen.

„Makarionissi! Stellt euch vor, meine Mädchen, was man sich über diese Insel erzählt: Lange bevor wir alle auf der Welt waren, durften die größten Helden dorthin übersiedeln, wenn sie keine Helden mehr sein wollten. Auf der Insel gab es paradiesische , rosengeschmückte Wiesen und eine Quelle, in der Nektar floss. Jedoch kein gewöhnlicher Nektar, sondern einer, der mit dem Wasser aus dem Fluss der Unterwelt gemischt wurde. Und wer von ihm trank, der vergaß all das Leid, das ihm in seinem Leben widerfahren war und erinnerte sich nur mehr an die schönen Dinge.“

In diesem Roman wimmelt es von Helden – von mythischen, wahren und solchen, die es gerne wären. Deshalb ist auch die Handlung selbst wie ein großer Homer’scher Heldenepos angelegt, mit Gesängen statt Kapiteln. Alles beginnt 1956 in dem Dorf Varitsi an der griechisch-albanischen Grenze, das einst wichtige Passierstelle für die durchreisenden Salzhändler war, nun jedoch mehr Ziegen als Einwohner zählt. Hier wachsen Eleni und Lefti auf. Aus Mangel an Alternativen werden die beiden, die Cousine und Cousin sind, schon als Kinder einander versprochen. Das hat Familienoberhaupt Yiayia Maria so beschlossen, nachdem ihr die heilige Paraskevi im Traum erschienen ist. Leider liest die alte Frau die Vorzeichen falsch und beschert ihren zwei Enkelkindern damit ein Los, das die Heiligen-Lotterie so bestimmt nicht vorgesehen hat.

Denn Eleni und Lefti passen zusammen wie Tzatziki mit Schwarzwälderkirsch. Lefti ist ein stiller junger Mann, der sich aus allem Politischen, was in Varitsi zwischen Staatstreuen und Umstürzlern so abgeht, raushält. Eleni dagegen ist eine wilde Revoluzzerin, die die Lebensform der Amazonen für die beste der Weltgeschichte hält. Ihre nonkonformistische Ader bringt sie in solche Schwierigkeiten, dass die schnelle Heirat mit Lefti und eine Flucht ins Ausland der einzige Ausweg bleiben. Als Gastarbeiter verschlägt es sie nach Hildesheim, wo Lefti sich in die deutsche Pünktlichkeit und in seine Sprachlehrerin Fräulein Haselbacher verliebt, während Eleni nach einer Demo gegen die griechische Militärdiktatur mit dem flotten Liedermacher Otto anbandelt.

Vea Kaiser erzählt die Geschichte ihrer beiden Helden, Eleni und Lefti, über mehrere Jahrzehnte, Generationen und Länder hinweg. Es ist eine abenteuerliche Odyssee, die aus den Vollen schöpft und alle Großereignisse des Lebens von Hochzeiten über Geburten bis hin zu Todesfällen bereit hält. Auf den letzten hundert Seiten rast die Handlung zwar wie im D-Zug vorbei, um geradewegs auf das etwas zu gemachte Happy End zuzusteuern, aber dies sei verziehen. „Makarionissi“ bleibt ein herrlich unterhaltsamer Feel-Good-Schmöker, vielleicht nicht ganz so anspruchsvoll und verschlungen in seinem Inhalt wie „Blasmusikpop“, aber immer noch mit dieser Kaiser-typischen Erzählweise, die gewitzt, warmherzig und temperamentvoll die Seiten ausfüllt.

Und etwa so würde der Roman klingen, wenn er eine Melodie wäre (auch wenn ich keinen blassen Schimmer hab, worum es in dem Song „To Kalokeri Efige“ eigentlich geht)

8 Kommentare zu “„Makarionissi oder die Insel der Seligen“ von Vea Kaiser

  1. Schöner Song! Erinnert an Urlaub, Sonne und Meer, gemixt mit ein bißchen Tragik und Herzschmerz.
    Auch ich verstehe kein einziges Wort Griechisch, kann mir nun aber gut vorstellen, was passiert, wenn ich den Roman von Vea Kaiser lese. Ganz besonders aber dank deiner schönen Besprechung!

  2. Hallo Karo,

    in deiner Besprechung konnte ich mich gut wiederfinden. Ich habe zuletzt einiges an Kritik über Vea Kaiser gelesen, es gab eine ziemlich verreißende Besprechung in der FAZ und auch in der Welt wurde sie nicht unbedingt gelobt. Mir hat ihr neuer Roman hingegen ausnehmend gut gefallen, vielleicht sogar noch etwas besser als der Erstling.

    Liebe Grüße
    Mara

    • Gut, dass ich diese Besprechungen vorher nicht gelesen habe und da völlig unvoreingenommen dran gegangen bin…trotzdem überrascht mich die Kritik nicht, weil es fürs Feuilleton wahrscheinlich zu wenig E- und zu viel U-Literatur ist. Gut, dass uns das nicht stört, was?! 😉

  3. MIr hat der Roman auch sehr gut gefallen, allerdings habe ich ihn gehört – was dem INhalt natürlich keinen Abbruch tut. Und Burghart Klaußner hat den Text wirklich ganz toll interpretiert!

  4. Pingback: *+* Vea Kaiser: „Makarionissi – Oder die Insel der Seligen“ (Hörbuch) *+* | Irve liest...

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